DIGITALE DEMAGOGIE
ARD Radio Feature - 2021 - 53 Min.
Mit: Anna-Lena von Hodenberg (HateAid), Simone Rafael (Amadeu Antonio Stiftung + Belltower News), Marina Chernivsky (OFEK - Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung), Sören Musyal (Autor), Christian Fuchs (Investigative-Journalist bei ZEIT), Lorenz (Hassmelden), Franziska Schreiber (Autorin, Ex-AfD), Nicole Sandelbaum (Szene-Aussteigerin), Daniel Geschke (IDZ), Benjamin Krause (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität - ZIT), Sacha Baron Cohen, Tristan Harris (Center for Humane Technology) und Yasemin.
SprecherInnen: Anjorka Strechel, Ole Lagerpusch, Larissa Aimée Breidbach und Sascha Tschorn
Musik & technische Realisation: Sebastian Meissner
MusikerInnen: Tintin Patrone & Hannes Wienert
In sozialen Netzwerken verbreiten sich Hass und Gewalt besonders effektiv. Rechte Influencer*innen befeuern in populärem Design rassistische und antidemokratische Verschwörungsmythen. Wie kann man diese Radikalisierung im Netz durchbrechen?
In den letzten Jahren ist in Chats, Foren und sozialen Netzwerken ein dichtes Geflecht aus rechten Influencer*innen und bloggenden Demagog*innen entstanden. Auf ihren Kanälen verbreiten sie antisemitische und antidemokratische Verschwörungsmythen und streuen gezielt Desinformationen. Einige sprechen offen von einen Info-Krieg, in dem sie sich zu befinden glauben.
Als Folge überziehen ihre Follower*innen andersdenkende Internet-User*innen mit Hass, Morddrohungen oder sexistischen Kommentaren. Netzwerkbetreiber wie Facebook, Twitter und Google sind zwar durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verpflichtet, strafrechtlich relevante Beiträge zu melden und zu löschen, allerdings entscheidet darüber oft nicht ausreichend geschultes eigenes Personal ohne juristische Kenntnisse. Telegram als populärer Messenger-Dienst fällt gar nicht erst unter das NetzDG, obwohl es seit Ausbruch der Corona-Pandemie einen starken Anstieg an rechten und rechtsextremen Telegram-Kanälen gibt.
Einer der zentralen Prozesse, die zur Radikalisierung im Internet führen, ist das Geschäftsmodell der digitalen Plattformen: die Aufmerksamkeitsökonomie. Je länger User*innen auf Facebook oder YouTube verweilen, desto größer fallen die Werbeeinnahmen aus. Algorithmen belohnen die Verbreitung von toxischen Schlagzeilen, weil diese deutlich mehr Aufmerksamkeit generieren als positive. So tragen Netzwerkbetreiber dazu bei, dass demokratiefeindliche Erzählungen an Auftrieb gewinnen. Aus Aufmerksamkeitsökonomie wird Desinformationsökonomie. Aus digitalen Kommunikationswerkzeugen werden Radikalisierungsmaschinen.
Das Feature beleuchtet, wie rechte Influencer*innen mit missionarischem Eifer bis weit in die Mitte der Gesellschaft vordringen und mit gezielten Medienstrategien Paranoia und Ängste schüren. Zu Wort kommen Akteure, die sich dem wachsenden Hass entgegenstellen und sich für eine effektivere Strafverfolgung und für mehr Courage in der Off- und Online-Welt einsetzen.